Forschung über die Fächergrenzen hinweg: Wissenschaftler der Universität Bonn sind für drei besondere Projekte aus den Lebenswissenschaften mit einem Preis des Transdisziplinären Forschungsbereichs „Leben und Gesundheit“ der Universität ausgezeichnet worden. Für ihre kreativen und innovativen Ansätze belohnt der Lenkungsausschuss des Forschungsbereichs die drei Teams mit jeweils 50.000 Euro. Ein fünfköpfiges externes Expertengremium hatte die Projekte begutachtet. Bis zu drei Wissenschaftler arbeiten gemeinsam an einem Projekt. Sie kommen aus den Disziplinen Biologie, Pharmazie, Medizin und Mathematik.
Der Themenkomplex „Leben und Gesundheit“ ist einer von sechs sogenannten Transdisziplinären Forschungsbereichen (engl. Transdisciplinary Research Area, TRA), die zu den tragenden Säulen der Exzellenzuniversität Bonn zählen und das uniweite Forschungsprofil abbilden. In den Forschungsbereichen kommen Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Fakultäten und Disziplinen zusammen, um gemeinsam an zentralen zukunftsrelevanten Forschungsthemen zu arbeiten.
„Die von uns ausgezeichneten Projekte unterstreichen das hohe Innovationspotenzial unseres wissenschaftlichen Schwerpunkts. Forscher aus verschiedenen Fachrichtungen bringen ihre Expertisen ein, um gemeinsam biomedizinischen Fragestellungen nachzugehen, deren Beantwortung nachhaltig in die Gesellschaft wirken kann“, betont Prof. Dr. Waldemar Kolanus, einer der beiden Sprecher des Transdisziplinären Forschungsbereichs „Leben und Gesundheit“.
Über die ausgezeichneten Projekte:
Künstliche Intelligenz entschlüsselt Lymphknoten
Damit Immunzellen im Körper funktionieren können, ist es wichtig, dass sie sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort im Gewebe aufhalten. In Lymphknoten zum Beispiel, hochkomplex organisierten Einheiten des Immunsystems, führt die richtige Lokalisierung der Zellen dazu, dass Immunreaktionen passend eingeleitet, aufrechterhalten und wieder beendet werden. Allerdings ist bisher relativ wenig über die regulierenden Mechanismen bekannt, die dazu führen, dass sich die Zellen innerhalb des Gewebes richtig anordnen. Um mehr darüber herauszufinden, arbeiten der Biologe Prof. Dr. Andreas Schlitzer, der Mediziner Dr. Thorsten Send von der HNO-Klinik des Uniklinikums Bonn und der Mathematiker Prof. Dr. Jan Hasenauer in ihrem Projekt eng zusammen. Ihr Ziel: die zelluläre Organisation in menschlichen Hals-Lymphknoten zu untersuchen – sowohl im gesunden Zustand als auch während Entzündungen. Dazu messen sie, welche Gene in der Zelle zu bestimmten Zeitpunkten von der DNA in die sogenannte Boten-RNA umgeschrieben werden, vermessen die Zellen mithilfe moderner Verfahren und machen sie mit rechnergestützten Bildgebungstechniken sichtbar. Da nicht alle Vorgänge experimentell zugänglich sind, modellieren die Forscher die biologischen Prozesse zusätzlich mithilfe künstlicher Intelligenz. So wollen sie eine multimodale Karte von Hals-Lymphknoten bis in die Zellauflösung hinein erstellen.
Antiepileptika mit Lichtschalter
Die Pharmazeutin Prof. Dr. Christa Müller und der Neurologe Dr. Michael Wenzel arbeiten in ihrem Projekt gemeinsam daran, einen pharmakologischen Ansatz zu entwickeln, mit dem in Zukunft Epilepsiepatienten behandelt werden könnten. Dazu nehmen die Forscher sogenannte photoaktivierbare Wirkstoffe ins Visier. Das Besondere an dieser Art von Arzneimitteln ist, dass sie erst ihre Wirkung entfalten, wenn sie mit Licht bestrahlt werden. So können Ärzte sie genau an dem Ort im Körper „einschalten“, an dem sie gebraucht werden – erheblich weniger Nebenwirkungen sind die Folge. In ihrem Projekt arbeiten die Wissenschaftler daran, die Stoffe Phenytoin und Propofol chemisch so zu verändern, dass sie erst durch Einwirken von Licht einer bestimmten Wellenlänge aktiv werden. Um in die Stoffe sozusagen einen Lichtschalter einzubauen, stellen die Pharmazeuten um Christa Müller zunächst entsprechende Verbindungen her und charakterisieren sie. Im weiteren Verlauf des Projekts testen die Biomediziner um Michael Wenzel, wie sie die Wirkstoffe in Mäusen mithilfe von Glasfaserimplantaten gezielt im Gehirn „anschalten“ können und wie sie gegen epileptische Anfälle wirken. Das Projekt kann zum einen dazu führen, ernstzunehmende Nebenwirkungen zu reduzieren. Zum anderen könnte es den Weg dafür ebnen, eine Reihe von neuartigen antiepileptisch hochwirksamen Medikamenten einzuführen, die bislang in der klinischen Epileptologie aufgrund ihrer fehlenden lokalen Aktivierbarkeit undenkbar sind.
Fett in einer Petrischale
In ihrem gemeinsamen Projekt wollen die beiden Biologinnen Prof. Dr. Dagmar Wachten und Prof. Dr. Elvira Mass herausfinden, wie weißes Fettgewebe, das am häufigsten im Körper vorkommende Fettgewebe, aufgebaut ist. Das Gewebe besteht aus verschiedenen Zelltypen, allerdings ist bisher nur wenig darüber bekannt, wie die einzelnen Zelltypen dreidimensional im Gewebe organisiert sind, wie sie miteinander interagieren und so die Entwicklung und Funktion des weißen Fettgewebes unterstützen. In ihrem Projekt konzentrieren sich die Forscherinnen darauf, wie Makrophagen, Zellen des angeborenen Immunsystems, Signale an die benachbarten Zelltypen des weißen Fettgewebes senden und mit ihnen kommunizieren. Das Ziel der Wissenschaftlerinnen ist es, diese Kommunikation während der Entwicklung des weißen Fettgewebes mit verschiedenen molekularbiologischen Methoden zu entschlüsseln und mit modernen Techniken der Bildgebung dreidimensional darzustellen. Dazu verwenden sie genetisch veränderte Mäuse und sogenannte Organoide, im Labor hergestellte kleine Gewebestücke. Der Ansatz soll als Grundlage dazu dienen, den Einfluss von Makrophagen auf das biologische System des weißen Fettgewebes aufzudecken. Das kann dazu beitragen, funktionelle Organoide aus Stammzellen zu entwickeln, die dem weißen Fettgewebe des Menschen ähneln und so die weitere Untersuchung ermöglichen.
Über den Transdisziplinäre Forschungsbereich „Leben und Gesundheit“
Leben existiert in komplexen Strukturen – von kleinsten Molekülen, die miteinander interagieren bis hin zum Zusammenspiel verschiedenster Organismen in ökologischen Systemen. Das Verständnis der Komplexität des Lebens ist daher eines der faszinierendsten Forschungsthemen. Entschlüsseln Forschende die dem Leben zugrunde liegenden Mechanismen, ist das die Grundlage dafür, Krankheiten besser zu verstehen und neue Therapien zu entwickeln. In einem lebendigen Forschungsumfeld und gemeinsam mit dem Exzellenzcluster „Immunosensation2“ liegt der Schwerpunkt des Transdisziplinären Forschungsbereichs „Leben und Gesundheit“ auf dem Verständnis des Lebens – von der Ebene der kleinsten Teilchen bis hin zur Wechselwirkung komplexer Systeme mit der Umwelt. Ein Hauptziel ist die Entwicklung neuer Strategien zur Verbesserung und Erhaltung der Gesundheit.
Kontakt für die Medien:
Dr. Meike Brömer
Management Transdisziplinärer Forschungsbereich „Leben und Gesundheit“
Tel.: +49 151 16933013
E-Mail: life-and-health@uni-bonn.de