Übersicht: Struktur, Funktion und Metabolismus von Sphingolipiden und Glycosphingolipiden

Glykosphingolipide (GSLs) sind charakteristische Bestandteile der äußeren Schicht von eukaryontischen Plasmamembranen. Jedes Glykosphingolipid enthält einen hydrophoben Ceramidanteil, der als Membrananker dient, und eine hydrophile extrazelluläre Oligosaccharidkette. Das Ceramid besteht aus einer langen Amino-Alkohol-Kette, D-erythro-Sphingosin, das mit einer Fettsäure acyliert ist. Gleichzeitig ist es eine strukturelle Komponente von einem in der Plasmamembran vorhandenen Phospholipid, dem Sphingomyelin. Durch ihren Ceramid- und Kohlenhydratanteil sind GSLs heterogen. Es gibt eine große Anzahl natürlich vorkommender GSLs, die sich in Typ, Anzahl und Verknüpfung der einzelnen Zuckerbausteine unterscheiden. Bislang wurden mehr als 300 verschiedene Oligosaccharid- und über 350 Ceramid-Strukturen charakterisiert. Die GSL Ausstattung eines Organismus ist artspezifisch. Dabei können die Lipide in Serien klassifiziert werden, die für entwicklungsgeschichtlich verwandte Arten charakteristisch sind.
Neben dieser Arten-Abhängigkeit bilden GSL auch zelltyp-spezifische Muster auf der Zelloberfläche. Sialinsäuren enthaltende GSLs der Ganglioserie, die sogenannten Ganglioside, finden sich vor allem auf neuronalen Zellmembranen. Die GSL-Muster ändern sich mit dem Zellwachstum, der Differenzierung, bei viraler Transformation, der Ontogenese und Onkogenese. Zusammen mit den Glykoproteinen und den Glyosaminglykanen tragen GSL zum Aufbau der Glykocalix bei, die die Zelloberfläche mit einer schützenden Schicht aus Kohlenhydraten bedeckt.

An der Zelloberfläche können GSLs als Bindungsstellen für Toxine, Viren und Bakterien fungieren. Diese Pathogene profitieren von der engen räumlichen Nachbarschaft zwischen spezifischen Kohlenhydrat-Erkennungsstellen auf der Zelloberfläche und der Plasmamembran. GSL können auch mit membrangebundenen Enzymen in Wechselwirkung treten und sind an zelltypspezifischen Adhäsionsprozessen beteiligt. Verschiedene physiologische Vorgänge können durch GSLs beeinflusst werden, beispielsweise die Embryogenese, die Differenzierung neuronaler Zellen und Leukozyten, die Zelladhäsion und die Signaltransduktion. Auch lipophile Intermediate des GSL-Stoffwechsels wie Sphingosin, Ceramid und deren phosphorylierte Derivate, z.B. Sphingosin-1-Phosphat, sind an der zellulären Signaltransduktion entscheidend beteiligt. Schließlich bilden komplexe GSL eine Schicht auf den antizytosolischen Seiten zellulärer Membranen, die diese vor Abbau und unkontrollierter Membranfusion schützen. Über die genaue Funktion einzelner Sphingolipide in vivo ist oft wenig bekannt. Zahlreiche Beobachtungen legen nahe, dass sie an verschiedenen biologischen Vorgängen beteiligt sind, u.a. an der Regulation membranständiger Rezeptoren und Enzyme. Die Konservierung der GSL-Struktur in der Evolution weist auf wesentliche Funktionen für den lebenden Organismus hin.

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Biosynthese

Die de-novo Biosynthese von GSL findet in den gleichen intrazellulären Komponenten statt wie die Biosynthese der Glykoproteine. Sie ist an den intrazellulären vesikulären Transport der wachsenden Moleküle gekoppelt, der über die Zisternen des Golgi-Apparats zur Plasmamembran führt. Sie beginnt mit der Bildung von Ceramid an den Membranen des Endoplasmatischen Retikulums (ER). Die Kondensation der Aminosäure L-Serin mit einer aktivierten Fettsäure - in der Regel Palmitoylcoenzym A – wird durch das Enzym Serinpalmitoyltransferase (SPT) katalysiert. In der anschließenden NADPH-abhängigen Reaktion wird 3-Ketosphinganin durch das Enzym 3-Ketosphinganin-Reduktase zu Sphinganin reduziert, und dieses durch 6 verschiedene, zelltyp- und entwicklungsspezifische Sphinganin-N-acyltransferasen zu Dihydroceramid acyliert. In der anschließenden Dihydroceramiddesaturase Reaktion wird Dihydroceramide zu Ceramid desaturiert. Sphingosin, die namengebende Grundsubstanz der Sphingolipide, ist kein Intermediat der Sphingolipid-Biosynthese. Sie wird während des enzymatischen Abbaus von Ceramid gebildet.

Ceramid ist der gemeinsame Vorläufer von GSLs und Sphingomyelin. Die Biosynthese der meisten GSLs von Wirbeltieren beruht auf der Glucosylierung von Ceramid durch die Glucosylceramidsynthase und der Bildung von Glucosylceramid. Lactosylceramid, der gemeinsame Vorläufer von 5 GSL-Serien in Wirbeltieren, entsteht an den luminalen Oberflächen von Golgimembranen durch durch Galaktosylierung durch Galaktosytransferase I.
Die  meisten GSL von Wirbeltieren haben Lactosylceramid als gemeinsamen Vorläufer und Strukturelement. Zur sequentiellen Zuführung weiterer Zuckerreste einschließlich der Sialinsäure werden membrangebundene Glycosyltransferasen im Lumen des Golgi Apparates benötigt. Lactosylceramid und seine sialysierten Derivate GM3, GD3 und GT3 dienen als Vorläufer für komplexere Ganglioside verschiedener Serien. Die sequentielle Glykosylierung dieser Vorläufer erfolgt durch weniger spezifische Glycosyltransferasen, die den jeweiligen Zuckerrest zu Glycosyl-Akzeptoren führt, die sich lediglich in der Anzahl der an die innere Galactose gebundenen Sialinsäuren unterscheiden. Viele der an der GSL-Biosynthese beteiligten Glycosyltransferasen wurden bereits kloniert, jedoch ist der Mechanismus dieser Enzyme noch weitgehend unbekannt. Verschiedene Inhibitoren der GSL-Biosynthese sind jedoch bekannt, und könnten zu wichtigen Werkzeugen für die Behandlung von Sphingolipidosen und anderen Krankheiten werden.

In Kooperation mit Rick Proia (NIH, Bethesda, USA) haben wir verschiedene Mäuse mit Defekten in der Glycolipidbiosynthese analysiert, um weitere Informationen über die Funktion einzelner Glykolipide zu gewinnen.

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Signaltransduktion

An der extrazellulären Signaltransduktion zu intrazellulären Regulierungssystemen sind nicht nur in der Plasmamembran vorhandene GSL beteiligt, sondern auch lipophile Intermediate des Sphingolipidabbaus. Die Beobachtung, dass die Hydrolyse von Sphingomyelin zu Ceramid in verschiedenen Zelltypen durch extrazelluläre Stimuli induziert werden kann, führte zur Entdeckung des sogenannten Sphingomyelin Zyklus. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass Ceramid antimitogene Prozesse steuert wie Zelldifferentierung, Unterbrechung des Zellzyklus und Zellalterung. Verschiedene Versuche deuten darauf hin, dass Ceramid ein physiologischer Mediator der Apoptose sein könnte. Die zellulären Ziele von Ceramid und anderen Molekülen auf dem Weg der Signalkette sind nicht eindeutig bekannt, verschiedene mögliche Targetproteine werden zur Zeit untersucht.

Andere Zwischenprodukte des Sphingolipid-Stoffwechsels scheinen eine Reihe von Vorgängen zu beeinflussen, z. B. die Hemmung der Proteinkinase C durch Sphingosin und lyso-GSL, lytischen Lipiden, denen die Amid-gebundene Fettsäure fehlt.

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Konstitutiver Abbau

Der GSL-Abbau erfolgt in den sauren Kompartimenten der Zellen, den Endosomen und den Lysosomen. Die abzubauenden Teile der Plasmamembran werden endozytiert, wandern durch endosomale Kompartimente und erreichen intralysosomale Vesikel als Plattformen für den Lipid- und Membranverdau.
Die Zusammensetzung der Sphingolipide, die in das Lysosom gelangen, ist zelltypspezifisch. Neuronale Plasmamembranen sind reich an Gangliosiden, während Oligodendrozyten und Schwann Zellen einen höheren Gehalt an Galactosylceramid und Sulfatifd aufweisen. Im Lysosom werden Zuckerreste der membranständigen GSL sequentiell von hydrolysierenden Enzymen vom nichtreduzierenden Ende her abgespalten.  Über niedrig glykosylierte GSL entsteht Ceramid und schließlich Sphingosin. Dies kann das Lysosom verlassen, und dem Biosyntheseweg wieder zugeführt oder weiter abgebaut werden. GSL mit langen Kohlenhydratketten mit mehr als vier Zuckerresten benötigen lediglich eine enzymatisch aktive lysosomale Hydrolase für den Abbau in vivo.
Der Abbau membranständiger GSL mit kurzen Zuckerketten – vier oder weniger – benötigt zusätzliche Hilfsproteine, die Sphingolipid-Aktivator-Proteine (SAPs): den GM2-Aktivator und die Saposine A, B, C und D.
Defekte einzelner abbauender Enzyme oder SAPs verursachen GSL-Speicherkrankheiten, überwiegend tödliche neurogenerative Erbkrankheiten. Die Gene der meisten Krankheits-verursachender Proteine wurden sequenziert und Patientenmutationen identifiziert. Dies erleichtert die Diagnose, die Entwicklung von Gen-Phenotyp-Korrelationen und die Entwicklung von Therapieansätzen wie ERT (Enzym-Ersatztherapie), Substrat-Verarmung, Organtransplantation und gentherapeutische Ansätze.

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