Interviews
Interview mit der Sprecherin der Women in Science (WiS)-Initiative, Prof. Irmgard Förster, 22.02.2021
durchgeführt von Prof. Eva Kiermaier
Trotz der Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter im letzten Jahrzehnt sind Wissenschaftlerinnen in der Forschung unterrepräsentiert. Die Fortschritte sind langsam, und es gibt immer noch geschlechtsspezifische Unterschiede auf der ganzen Welt. Irmgard Förster, die erste (und für viele Jahre die einzige) Professorin am LIMES-Institut.
Während meines Studiums der Humanbiologie in Marburg hatte ich die Möglichkeit, für zwei Jahre im Institut für Immunologie direkte Einblicke in die Forschung zu erhalten und eng mit den 'Behringwerken' in Marburg zusammenzuarbeiten. Die Firma war bekannt für die Entwicklung von Impfstoffen und hatte auch eine Abteilung für Grundlagenforschung, in der ich meine Masterarbeit schrieb. Wir bekamen auch die Möglichkeit, das Basel Institut für Immunologie zu besuchen, in dem viele weltweit führende Experten der Immunologie arbeiteten, wie z. B. Harald von Böhmer, der einen wesentlichen Beitrag zur Entschlüsselung der T-Zell-Entwicklung im Thymus geleistet hat. Das war ein sehr stimulierendes Umfeld, und ich konnte in dieser Zeit die Klonierung des T-Zell-Rezeptors durch Susumo Tonegawa miterleben, der später, 1987, den Nobelpreis für Physiologie für die Entdeckung des genetischen Mechanismus der Antikörpervielfalt erhielt.
Es gab mehrere herausfordernde Zeiten. Insgesamt bin ich ziemlich viel umgezogen und war lange Zeit auf befristeten Stellen tätig. Mein Mann und ich pendelten zunächst zwischen Ländern oder sogar Kontinenten, später zwischen verschiedenen Städten in Deutschland. Nach meiner Rückkehr aus den USA baute ich meine unabhängige Forschungsgruppe in Köln auf, während mein Mann noch in Toronto arbeitete und dann seine eigene Forschungsgruppe in München gründete. Danach wurde ich als außerordentliche Professorin für Mukosale Immunologie in München berufen, allerdings mit einem 6-Jahres-Vertrag und ohne Tenure-Track-Option.
Der Druck war ziemlich hoch, eine feste Stelle im akademischen Bereich zu finden, während ich schwanger war. Schließlich gelang es uns, zwei Stellen in Düsseldorf zu bekommen: Ich wurde an einem Forschungsinstitut außerhalb der Universität als außerordentliche Professorin angestellt, während mein Mann als ordentlicher Professor an der Medizinischen Fakultät tätig war. Im Jahr 2012 wurde ich als W3-Professorin an das LIMES-Institut berufen und pendle seitdem zwischen Düsseldorf und Bonn.
Die Wissenschaft hat mich immer begeistert. Unsere Jobs haben mich/uns erfüllt und wir hatten nicht das Gefühl, dass das Pendeln ein großes Problem ist, solange wir kein Kind hatten. Unter der Woche arbeitet man sehr hart, aber dann haben wir die Wochenenden und die freie Zeit genutzt, um uns zu entspannen und zu genießen. Wir haben immer versucht, gemeinsam Lösungen zu finden.
Was die Jobsituation angeht, ist es sehr wichtig, aktiv an seiner Karriere zu arbeiten: Förderanträge zu schreiben und zu versuchen, eigenes Geld zu organisieren, war essentiell für mich, um eine Stelle in München zu bekommen. Auch die Vernetzung mit anderen Wissenschaftlern war extrem wichtig. Später, nachdem unser Sohn auf die Welt kam, haben wir uns gemeinsam um seine Erziehung gekümmert, aber zusätzlich auch eine Kinderfrau eingestellt, damit wir beide unseren Karrieren nachgehen konnten.
Im Allgemeinen glaube ich, dass die Situation besser wird: Es gibt mehr Stellen in der Wissenschaft und das Tenure-Track-System ist in Deutschland gut etabliert. Außerdem gibt es verschiedene gute Programme zur Förderung von Wissenschaftlerinnen. In der Wissenschaft ist es extrem wichtig, aktiv zu sein und die Chancen zu nutzen, die sich bieten. Es ist vielleicht nicht gleich die perfekte Position oder Situation, aber Geduld, Beharrlichkeit und Kompromissbereitschaft zahlen sich letztlich aus.
Was die Herausforderungen angeht, so ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer noch schwierig. Weniger Zeit für Meetings zu haben, vermindert die Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen und erschwert das Networking. Wissenschaftlerinnen haben dadurch auch oft weniger Kontakt zu Editoren, was zu Nachteilen bei Publikationen führen kann.
Es gibt keine ultimative und allgemeine Lösung. Individuelle und flexible Unterstützung muss vom Arbeitgeber angeboten werden. Was die Kinderbetreuung angeht, müssen wir die Akzeptanz von Elternzeit und familiären Verpflichtungen verbessern. Es ist eine gemeinsame Verantwortung, bei der sich Frauen und Männer gleichermaßen engagieren müssen.
Ich glaube fest daran, dass man mit ganzem Herzen Spaß an der Wissenschaft haben muss, um erfolgreich zu sein. Die Arbeit wird sich auszahlen, wenn man sich für das interessiert, was man tut. Es ist auch wichtig, den richtigen Partner zu wählen, der die eigenen Ambitionen unterstützt. Gleichzeitig helfen entscheidende Erfolgserlebnisse, über die Phasen hinwegzukommen, in denen die Dinge nicht so glatt laufen wie erwartet.
Interview mit dem Transferbeauftragten Prof. Dr. Günter Mayer, 25.05.2020
Das bin ich seit Mai 2018. Meine Aufgabe, gemeinsam mit anderen Akteuren der Universität, ist die Etablierung und der Aufbau eines Transfercenters an unserer Alma Mater. Transfer wird, neben Forschung und Lehre, zunehmend als dritte Kernaufgabe den Universitäten zugeschrieben. Wissens- und Technologietransfer erfolgt dabei auf verschiedenen Ebenen und Richtungen, aus der Universität hinaus in die Gesellschaft/Wirtschaft, von der Gesellschaft/Wirtschaft in die Universität hinein, aber auch innerhalb der Universität. Um dies zu ermöglichen ist eine zentrale Stelle notwendig, die Aktivitäten und das Wissen darüber bündelt und in einem Netzwerk koordiniert.
Meine eigenen wissenschaftlichen Arbeiten sind teilweise sehr anwendungsorientiert, und ich habe mich schon immer dafür eingesetzt, die erarbeiteten Ergebnisse wirtschaftlich zu nutzen. Daraus haben sich zahlreiche Patente und Interaktionen mit anderen Arbeitsgruppen, aber auch Unternehmen ergeben. Aus diesen Kollaborationen sind Produkte sowie Lizenzvereinbarungen hervorgegangen. Nach meiner Dissertation habe ich bereits geholfen, ein Biotechnologieunternehmen aufzubauen und es mitgegründet. Das heißt, mir sind beide Seiten nicht fremd, die akademische und die unternehmerische, als auch die Anforderungen an Produkte und damit einhergehende IP-Fragen. Zusammen mit Michael Famulok versuchen wir gerade ein weiteres Unternehmen zu gründen, die Clickmer Systems, welches derzeit am Life Science Inkubator (LSI) in Bonn ansässig ist. Darüber hinaus stelle ich meine wissenschaftliche Expertise diversen Unternehmen und Forschungseinrichtung beratend zur Verfügung. All diese Erfahrungen, die ich in den vergangenen Jahren gemacht habe, kommen mir bei meinen Aufgaben als Transferbeauftragter sehr zu gute. Darüber hinaus erfahre ich auch noch sehr viel Neues im Rahmen dieser Tätigkeit, lerne andere Bereiche der Universität kennen - das ist spannend und horizonterweiternd.
Es war eine gemeinschaftliche Anstrengung, von Rektorat, den Personen die sich seit Jahren mit Transferaufgaben an der Universität Bonn im Dezernat 7 befassen und vielen Kolleginnen und Kollegen. Wir sind damit gestartet, ein Transferaudit des Stifterverbandes zu durchlaufen. Dazu gehört ein Selbstbericht, also eine Beschreibung des Status Quo, und eine Darstellung, wo man hin will mit dem Thema Transfer an der Universität Bonn. Im Oktober 2018 erfolgte dann ein zweitägiges Audit, an dem externe Gutachter mit sehr unterschiedlichen Werdegängen beteiligt waren, aus dem akademischen und wirtschaftlichen Umfeld. Dabei wurden alle Facetten des Transfers beleuchtet, unter reger Beteiligung aller Statusgruppen und Fakultäten der Universität. Auch das Rektorat und der Kanzler waren vollständig involviert. Nach diesen zwei sehr intensiven Tagen verfasste der Stifterverbandes eine Stellungnahme inklusive Handlungshinweise. Basierend auf diesen und unseren eigenen Vorstellungen und Rahmenbedingungen erfolgte die ‚Gründung‘ des Transfer Centers enaCom.
Im Wesentlichen ist das die Unterstützung aller Vorhaben in Punkto Wissens- und Technologietransfer der Universität Bonn in allen Fachbereichen. Das sind neben den traditionellen Transferaufgaben, wie zum Beispiel die Unterstützung von Ausgründungen und Start-up Vorhaben, auch die Evaluierung und die Hebung von Potentialen in Forschungsfrühphasen. Patentmanagement, Lizenzierungen sowie die Unterstützung aller Statusgruppen, also Professor*innen, Wissenschaftler*innen, aber auch Studierende und Angehörige der Verwaltung und akademischen Mittelbaus bei allen Transferfragen und -vorhaben. Dies können neben klassischen Ausgründungen auch die Koordination von Firmenansprachen, Weiterbildungskonzepte, aber auch die Beteiligung an Lehrveranstaltungen einschließen. Unser Ziel ist es, dass enaCom die zentrale Transferstelle der Universität wird, an die sich jeder gerne wendet und wo einem, soweit es unsere Möglichkeiten zulassen, unbürokratisch weitergeholfen wird.
enaCom ist im Dezernat 7, welches jetzt unter dem Namen “Forschung und Transfer” firmiert, als eigenständige Abteilung 7.4 Transfer Center enaCom angesiedelt.
enaCom wird aus zentralen Mitteln, aus Exzellenzmittel und Drittmitteln finanziert. Im Dezember 2019 konnten wir 1,4 Mio.€ im Rahmen der EXIST Ausschreibung ‚Potentiale heben‘ vom BMWi einwerben. Diese Mittel fließen explizit in den Ausbau der Gründungsaktivitäten der Universität.
Seit Anfang Mai sind wir in der Brühler Straße 7 untergebracht. Aufgrund der Corona-Maßnahmen können wir zwar noch nicht richtig an diesem Standort loslegen, aber dort werden wir neben den Büroräumen für Mitarbeiter auch Co-Working Plätze für Gründerteams in der Frühphase anbieten können sowie Seminarräume für Veranstaltungen. Auch die Hochschulgruppe Science to Start-up (s2s) wird vor Ort sein. Es wird ein ‚offenes‘ Haus sein, wo jede und jeder willkommen sein wird, um über Transferangelegenheiten zu sprechen, ganz ungezwungen.
Derzeit sind, neben den Mitarbeitern Frau Schuba und Herr Wolf, Herr Impekoven (Leiter des Dezernats 7) und ich um den Aufbau der Abteilung bemüht. Wir haben gerade vier Stellen im Rahmen des EXIST-Programms ausgeschrieben und drei weitere für sogenannte Innovation Scouts werden in der zweiten Jahreshälfte folgen. Darüber hinaus sind wir bemüht, eine geeignete Person für die Abteilungsleitung zu rekrutieren. Das heißt, wir hoffen im nächsten Jahr eine ganze Fußballmannschaft zusammen zu haben.
Innovation Scouts arbeiten dezentral. D.h., sie werden sehr eng mit Wissenschaftlern der Fakultäten, TRAs und Exzellenzcluster zusammenarbeiten, um Innovationen frühzeitig zu entdecken und mögliche Verwertungsstrategien zu erarbeiten, die in enaCom weiterverfolgt werden. Natürlich in enger Abstimmung mit den beteiligten Wissenschaftlern. Dadurch versprechen wir uns eine signifikante Steigerung von Ausgründungen und anderen Verwertungen von Innovationen die an der Universität Bonn entwickelt werden.
Der zeitliche Aufwand ist teilweise groß, aber ich habe den Eindruck, dass es sich lohnt. Wir sind ein tolles Team, mit dem die Arbeit weitestgehend unbürokratisch und zielgerichtet abläuft, und, das ist mir besonders wichtig, Spaß macht. Sicherlich kommt meine eigene Arbeitsgruppe am LIMES-Institut manchmal etwas zu kurz, aber dank elektronischer Hilfsmittel, auch vor Coronazeiten, ist das alles gut zu bewerkstelligen. Ich hoffe, wir können tatsächlich wertvolle Arbeit für die gesamte Universität leisten und ein schlagkräftiges Transfer Center aufbauen. Der Rückhalt durch das Rektorat ist da und die Zeichen stehen gut, dass wir das in den nächsten Jahren auch schaffen.
Interview mit Prof. Dr. Elvira Mass, Abt. Entwicklungsbiologie des Immunsystems, 25.04.2018
Nach meiner extrem breitgefächerten Ausbildung als Entwicklungsbiologin - von Drosophila zu Maus als Modellorganismus, thematisch von Tracheenentwicklung zu Herzentwicklung und ER-Stress - hatte ich das Gefühl, dass ich eine neue thematische Herausforderung brauche. Aufgrund der Richtung, die mein eigenes Projekt in den letzten Monaten meiner Zeit als Doktorandin nahm, und der Forschung, die am LIMES betrieben wurde, habe ich in die Immunologie “hineinschnüffeln” können. Nach wenigen Recherchen wurde mir schnell klar, dass dieses Arbeitsgebiet auch in der Zukunft noch viel Potential bietet. Mein neues Thema sollte also die Immunologie werden, am liebsten etwas, wo ich mein bisheriges Wissen gut anwenden konnte. Aber wohin sollte die Reise gehen?
Joachim Schultze gab mir eine Liste von Laboren, die sowohl thematisch als auch vom Standort zu meinen Vorstellungen passten, und ich entschied mich schließlich für Frederic Geissmann’s Labor. Frederic war zu dem Zeitpunkt schon recht bekannt und hatte erst in 2012 ein Paper veröffentlicht, was das Makrophagen-Feld vollkommen verändern sollte. Kurz nach meiner Ankunft in London kam ein weiteres Paper heraus, welches zeigte, dass frühe embryonale Vorgänger aus dem Dottersack zu residenten Makrophagen differenzieren können, die im adulten Tier verbleiben. Dass sich Makrophagen gänzlich unabhängig vom Knochenmark entwickeln, war zu dem Zeitpunkt nicht gern gesehen, da viele Labore ihr ganze Forschung darauf aufbauten, Makrophagen aus dem Knochenmark oder aus Blutmonozyten zu differenzieren.
Viele Gruppen haben seitdem jedoch ähnliche Befunde veröffentlicht und nun ist es weitgehend akzeptiert, dass die meisten gewebespezifischen Makrophagen embryonalen Ursprungs sind. Diese Erkenntnisse haben nicht nur für die homöostatischen Funktionen von Makrophagen während der Entwicklung gravierende Implikationen, sondern auch für die (aktive) Rolle von Makrophagen in der Entstehung von Krankheiten.
In meinem ersten Projekt konnte ich zeigen, dass die Spezifizierung von Makrophagen sehr früh in den Organen passiert und dieser Differenzierungspro-zess deshalb ein integraler Teil von Organogenese ist. Aufbauend auf dieses Wissen habe ich ein Mausmodell generiert, bei dem Mikroglia, die Makrophagen im Gehirn, kausal für Neurodegeneration verantwortlich sind, wenn sie mutiert sind. Mit meiner Arbeitsgruppe im LIMES möchte ich weiterhin die Differenzierungsprozesse und homöostatischen Funktionen von Gewebsmakrophagen erforschen und damit eine Grundlage schaffen um die Pathophysiologie von Krankheiten zu ergründen und zu verstehen.
Allgemein gefällt mir die inhaltliche und zeitliche Flexibilität, und dass es immer etwas Neues zu entdecken gibt. Das besondere an meinem Arbeitsgebiet ist die Interdisziplinarität zwischen Entwicklungsbiologie und Immunologie. Neue Technologien wie single-cell-sequencing oder -barcoding eröffnen mir die Möglichkeit, mich mit vielen neuen unerforschten Gebieten zu beschäftigen.
Ich bin aktiv dabei, mir mein eigenes wissenschaftliches Netzwerk, nun auch besonders in Deutschland und Europa, aufzubauen. Da ich ja noch gar nicht so lange im Immunologie-Feld bin, muss ich da noch viel aufholen. Denn ohne Vernetzung geht heute gar nichts mehr. In meinen Publikationen wird das auch ersichtlich, es sind immer Teams aus den USA und Europa dabei. Es kostet heutzutage viel zu viel Zeit, neue Methoden selber aufzusetzen, da sie immer aufwändiger werden. Da ist man gut beraten sich einen Experten auf dem Feld zur Seite zu holen.
Die Tokyo-Bonn Verbindung empfand ich schon immer als extrem fruchtbar. Dieser internationale Austausch brachte uns nicht nur wissenschaftlich zusammen, sondern auch kulturell. Japaner sind nun mal ganz anders als wir Europäer, und mit Ihnen Sushi essen zu gehen, Karaoke zu singen, oder eines ihrer zahlreichen Trinkspiele zu spielen war immer ein Abenteuer. Wir haben sogar einmal einen traditionellen Fischertanz gelernt. Ich kann nur jedem empfehlen, sich bei dieser Kooperation einzubringen!
Als Tipp kann ich geben, dass man selbstsicher durchs Leben gehen muss und sich nicht scheuen darf, sich zu fragen, was man selbst will. Sehr wichtig ist auch das Networking, ganz besonders unter Frauen. Diese tendieren nämlich dazu, sich gegenseitig eher im Weg zu stehen, weil sie in anderen Frauen Konkurrentinnen sehen.
Ja, eine Frau hat es deutlich schwerer als ein Mann. Man wird sehr oft wissenschaftlich unterschätzt, auf das Kinderkriegen oder Mutterdasein reduziert und muss für den gleichen Job doppelt so viele Paper publiziert oder Grants eingeworben haben. Ich habe nun schon häufig zu hören bekommen, dass sich die Männer meiner Generation als Opfer der Frauenquoten sehen. Das empfinde ich nicht so, denn ich persönlich würde auch den besseren Mann einstellen anstatt der ‚Quotenfrau’. Aber diese Diskussion würde wahrscheinlich Seiten füllen können…
Viel Bewegung und Sport. Aber zum absoluten Abschalten von Beruflichem und Privatem spiele ich Schach. Das gibt dem Kopf gar keine Zeit mehr, sich mit den alltäglichen Dingen zu beschäftigen.
Ja, es fühlt sich schon wie ein Stück zu Hause an. Ich wurde auch unglaublich herzlich aufgenommen und von allen Seiten unterstützt. Als Großstadt-Hasserin waren dann auch weder London noch New York die besten Destinationen für mich; deshalb fühle ich mich auch generell in Bonn als Stadt sehr wohl.
In meiner Postdoc Zeit bestand mein Leben hauptsächlich aus Arbeit, aber nur, weil es meine persönliche Entscheidung war. Ich liebe meine Arbeit und es hat mir nichts ausgemacht, lange in den Abend hinein und an Wochenenden zu arbeiten. Nichtsdestotrotz habe ich auch die vielen Museen, Opern und Musicals in London und New York besucht! Der Vorteil, seinen Postdoc in solchen Städten zu machen, ist, dass alle Freunde und Verwandten unbedingt zu dir kommen wollen, sodass ich nicht oft nach Europa fliegen musste.
Interview mit Prof. Dr. Mihai Netea, Abt. Immunologie und Metabolismus, 28.02.2017
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Ich bin Internist und Spezialist für Infektionskrankheiten. Geboren bin ich in Cluj-Napoca, Rumänien, wo ich auch Medizin studiert habe. Nach meinem Medizinstudium bin ich 1993 für meine Doktorarbeit und zur Spezialisierung zur Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Jos van der Meer an die Radboud University Nijmegen gegangen. Nach einem weiteren Jahr als Post-doc bei Prof. Charles Dinarello an der University of Colorado, Denver, kehrte ich nach Nijmegen zurück, wo ich nun seit 2008 als Professor für Experimentelle Medizin tätig bin.
Mein Hauptinteresse liegt darin, die Regulation der angeborenen Immunantwort während schwerwiegender Infektionen, wie z.B. disseminierten Pilzinfektionen oder Sepsis, zu verstehen. Meine Gruppe untersucht zudem die Modulation und Anpassung des angeborenen Immunsystems nach einer Entzündung oder Impfung: dies ist de facto ein “immunologisches Gedächtnis” der angeborenen Immunanwort, welches wir “antrainierte Immunantwort” genannt haben. Der Grund für dieses Interesse ist, dass ich der festen Überzeugung bin, dass Teile der angeborenen Immunantwort mit die wichtigsten Komponenten unseres Abwehrsystems – zur gleichen Zeit jedoch aus therapeutischer Sicht die am wenigsten untersuchten Ansätze sind.
Am meisten Erfahrungen habe ich im wissenschaftlichen Bereich in den Niederlanden und in den USA gesammelt. Natürlich sind die grundlegenden Herangehensweisen in der Wissenschaft sehr ähnlich. Allerdings wird in den Niederlanden sehr viel mehr zusammengearbeitet als in den USA, wo Wissenschaftler und Labore sehr stark in Konkurrenz zu-einander agieren. Rumänien ist noch ganz am Anfang, was den Aufbau einer Wissenschaftskultur angeht, aber es hat in den letzten Jahren begonnen, sich sehr schnell zu verändern.
Ich habe schon seit einigen Jahren eine sehr fruchtbare Kooperation mit Wissenschaftlern aus dem LIMES-Institut. Es war sehr anregend, die gemeinsamen Projekte zusammen auszuführen, und wir haben fest-
gestellt, wie schön sich unsere Expertisen ergänzen. So war es ein ganz organischer Prozess, diese Zusammenarbeit noch weiter auszubauen, indem ich an das LIMES-Institut komme.
Mit Enthusiasmus bei der Sache zu sein und mit anderen zusammenzuarbeiten. Man braucht keine Angst davor zu haben, mit jemandem zusammenzuarbeiten: Die allermeisten Kollegen sind nett; sie wollen dir helfen und werden dir vieles beibringen. Und dann macht es auch einfach viel mehr Spaß, mit vielen Leuten zusammenzuarbeiten.
Das ist gar nicht so schwer, weil Nijmegen und Bonn ja nicht weit voneinander entfernt sind. Ich habe schon Zeiten festgelegt, in denen ich in Bonn sein werde, um mit Kollegen zu sprechen, das Labor zu organisieren und die Arbeit zu betreuen.
Ich gehe gerne in die Berge zum Wandern, und ich lese gerne Science-Fiction-Romane. Ich habe sogar selbst einen Science-Fiction-Roman mit dem Titel “North-West Passage to the Moon” geschrieben.
Interview mit Prof. Michael J. Pankratz, Direktor Molekulare Hirnphysiologie und Verhaltensforschung, 26.08.2014
Ich wurde in Seoul, Südkorea geboren. Meine Mutter und ich wanderten in die Vereinigten Staaten aus, als ich neun war. In zweiter Ehe heiratete sie dann einen Amerikaner, der deutscher Herkunft war (was meinen Un-koreanischen Nachnamen erklärt). Eine Post-doc-Stelle bei Herbert Jäckle, der damals ein junger Gruppenleiter in Tübingen war, brachte mich nach Deutschland.
Ich bin seit über 25 Jahren hier. Eigentlich hatte ich nicht die Absicht, so lange zu bleiben. Ich hatte eine wenig erfolgreiche Promotionszeit, so dass ich dachte, meine einzige Chance danach wäre es, in kleinen Schritten voran zu kommen. Außerdem wollte ich schon immer Erfahrungen in Europa sammeln. Mein Plan war daher, einen kurzen Post-Doc in Deutschland in einem eher kleinen, aber vielversprechenden Labor zu machen, und dann einen zweiten “echten” Post-doc in den USA anzuschließen. Dann ging es mit Herberts Labor auf einmal steil bergauf und mein eigenes Projekt lief unerwartet gut, sodass ich beschloss, länger zu bleiben. Ach ja - da gab es auch noch einen anderen Beweggrund: eine blonde Schwäbin, die ein paar Monate nach mir ins Labor kam ...
Schon als ich klein war, habe ich mich für Naturwissenschaften interessiert. Richtig gefesselt hat mich im Biologieunterricht der 9. Klasse die Lektüre eines Buches über die Entdeckung des Rous-Sarkom-Virus, das bei Hühnern Tumore verursacht (Peyton Rous erhielt den Nobelpreis für diese Arbeit). Ich war so fasziniert, dass ich kleine Küken kaufte (ich hielt sie in unserem Keller) und das Virus von der American Type Culture Collection (mit dem Scheckheft meines Vaters und einer gefälschten Unterschrift) bestellte. Als ich einem Wissenschaftler der Universität vor Ort davon erzählte, flippte der total aus und ließ sich die bis dahin noch ungeöffnete Flasche des Virus sofort aushändigen.
Meine Eltern gaben sie an eine Farm in der Nähe.
Nein. Ich weiß, es klingt klischeehaft, aber es ist ein Privileg, seinen Lebensunterhalt mit dem zu verdienen, was einem wirklich Spaß macht. Ich muss dazu sagen, dass ich nach dem Studium die Chance gehabt hätte, an einer großen neuen Ausgabe von James Joyces Ulysses mitzuarbeiten. Mein damaliger Englisch-Professor fragte mich, ob ich daran Interesse hätte, und interessanterweise wurde das Projekt von einem deutschen Professor in München geleitet. Ich war sehr versucht, das Angebot anzunehmen, entschied mich aber am Ende dagegen. Einige Jahre später stieß ich in einem Buchladen auf die fertige Ausgabe, und ich muss sagen, dass ich es dann doch bereute, diese einmalige Chance nicht genutzt zu haben. Das ist eine Entscheidung, die ich heute anders treffen würde. Aber eine andere Karriere einschlagen? Nein - dafür macht mir meine jetzige Arbeit zu viel Spaß.
Das ist schwer zu sagen. Da man es in der Forschung immer mit Unwägbarkeiten zu tun hat, ist es schwierig, bei der Stange zu bleiben, wenn man nicht mit Leidenschaft dabei ist. Es kommt natürlich auch darauf an, wie man “Erfolg” definiert. Aber Doktoranden und Post-Docs würde ich zwei Hauptzutaten empfehlen: Das eine ist die Fähigkeit, sich immer auf das nächste Experiment zu konzentrieren. Ich meine damit nicht darauf, positive, vorkonzipierte und erhoffte Ergebnisse zu erzielen, sondern einfach nur die Experimente konsequent durchzuführen. Die andere ist die, sich mit Kollegen auszutauschen, deren Experimente besser klappen als die eigenen.
Die Schwierigkeit ist, herauszufinden, was in welcher Karrierephase jeweils das richtige ist. Ich glaube nicht, dass ich so ein Hin- und Herpendeln vor 15 Jahren mitgemacht hätte. Aber eine wichtige Sache, die ich über die Jahre gelernt habe, ist es, sich für die eine Seite voll einzusetzen, auch wenn es auf der anderen Seite gerade Probleme gibt. Wenn das Paper abgelehnt wird, das Experiment zum x-ten Mal schief geht oder es im Labor Probleme gibt, dann muss man nach Hause gehen und trotzdem versuchen, die alltäglichen Dinge zu tun; und wenn die Dinge zu Hause nicht gut laufen oder außerhalb des Labors, dann muss man dennoch zur Arbeit gehen und versuchen, die Experimente abzuarbeiten.
Zum einen mit Konnektomik: dem Versuch, sämtliche synaptischen Verbindungen des Gehirns zu entschlüsseln. Wir sind Partner einer großen internationalen Kooperation, die die neuronalen Schaltkreise im Kontext eines vollständigen Drosophila-ZNS untersucht. Dies kann als Teil der umfassenderen globalen Bemühungen zur Analyse des menschlichen Gehirns gesehen werden. Ein weiteres Thema steht im Zusammenhang mit unserer Beteiligung am Exzellenzcluster “Immunosensation” und beschäftigt sich mit der Frage, wie das Immunsystem die Gehirnfunktion und das Verhalten von Tieren beeinflusst. Ich dachte immer, das Gehirn habe zwei große Probleme zu lösen: Nahrungsaufnahme und Sexualität. Aber jetzt merke ich, dass es auch noch ein drittes lösen muss - nicht umgebracht zu werden beim Versuch, die ersten beiden zu lösen.
Da könnte man zunächst all die verheerenden Krankheiten des Nervensystems auflisten, die durch ein besseres Verständnis der Struktur und Funktion des Gehirns gelindert werden könnten: Alzheimer, Parkinson, ALS, komplexe psychische Störungen. Man kann es auch als unglaubliches Bemühen sehen, zu verstehen, wie organisierte Gruppen von Zellen es uns ermöglichen, die Welt wahrnehmen, Gefühle zu zeigen, Gedanken zu haben, uns zu erinnern und zu handeln. Man hat die Sequenzierung des menschlichen Genoms einmal mit der Mondlandung verglichen. Ich war nie ein Fan dieser Analogie - nicht aus wissenschaftlichen, sondern aus humanistischen Gründen. Während die Genomorganisation ein modernes Konzept ist, war der Mond schon immer etwas Mythisches, Unerreichbares. So wie die Geheimnisse des menschlichen Geistes und Verhaltens. Daher denke ich, dass die Hirnforschung eher mit der Mondlandung vergleichbar ist.
Eigentlich durch Zufall. Als wir vor vielen, vielen Jahren damit anfingen zu erforschen, wie das Gehirn das Fressverhalten der Drosophila-Fliege steuert, isolierten wir zunächst Mutanten, die aufgrund eines physiologischen Defektes nicht richtig fressen konnten. Aber wir stellten schnell fest, dass wir zu der Zeit nicht die Werkzeuge an der Hand hatten, um herauszufinden, was in ihrem Gehirn vorging. Daher entschied ein ehemaliger Doktorand im Labor, Ingo Zinke, zu überprüfen, ob sie Defekte in ernährungsregulierten Genen hatten. Und damit begaben wir uns in eine ganz eigene kleine Welt. In der Tat waren wir die ersten in Europa, die Drosophila Affymetrix-Chips verwendeten - falls sich jemand an diese Steinzeit-Technologie erinnert.
Sind Eier gut oder schlecht? ... In der Juni 2014-Ausgabe des TIME-Magazins lautet die Titelgeschichte “Essen Sie Butter. Wissenschaftler haben Fett als den Feind angeprangert. Warum sie falsch lagen.“ Das erinnerte mich an eine Titelseite der New York Times im Jahr 2002 mit dem Titel ”Was, wenn alles eine große Lüge war?“. In diesem Artikel werden die fadenscheinigen wissenschaftlichen Beweise beschrieben, auf denen wichtige Ernährungsempfehlungen der Regierung basierten. Dann gibt es diese berühmte “Ernährungspyramide”, die überall an den Schulen gelehrt wird. Das Problem ist, dass nicht klar ist, welche Lebensmittel auf welcher Ebene der Pyramide anzuordnen sind.
Mein Eindruck ist, dass viele Empfehlungen an die Öffentlichkeit auf schlechten oder unzureichenden Daten basieren. Man könnte eine beliebige Anzahl von “wissenschaftlichen Studien” zitieren, um egal welche Argumentation zu unterstützen. In Bezug auf Medikamente ist die Zielgruppe sehr viel kleiner, zum Beispiel für eine bestimmte Krankheit. Aber Ernährung betrifft jeden. Deshalb sollten sich gute Wissenschaftler nicht nur mit der Ernährungsforschung, sondern auch mit der Öffentlichkeitspolitik beschäftigen. Das ist ein außerordentlich wichtiger Bereich, der die Gesellschaft auf allen Ebenen betrifft: Finanzen, Gesundheit, Bildung und Wissenschaft.
Trotz der unzähligen Veröffentlichungen und Diskussionen zu diesem Thema wissen wir erstaunlich wenig darüber, wie verschiedene Kombinationen und Konzentrationen der Lebensmittel, die wir zu uns nehmen, unseren Körper beeinflussen. Eine Klärung ist nirgendwo in Sicht. Wenn wir noch den Globalisierungsfaktor hinzurechnen - in den meisten asiatischen Ländern wird zum Beispiel morgens, mittags und abens im Grunde das Gleiche gegessen, während in den meisten westlichen Ländern Unterschiedliches gegessen wird. Was ist dann besser? Wir wissen es nicht. Mein Rat wäre daher - macht es so, wie es mir meine Mutter immer gesagt hat: Nehmt ausgewogene Mahlzeiten zu Euch!